Kommentar zur Terrorwelle in den USA: Aufstand der Selbstgerechten

Kommentar zur Terrorwelle in den USA:

Aufstand der Selbstgerechten


In Minneapolis begann es. Ein überwiegend aus afro-amerikanischen ´Wutbürgern´ bestehender Mob gab das entsprechende Signal, setzte ein Beispiel: als Steilvorlage für die Epigonen. Mittlerweile plündern und brandschatzen Zehntausende in zahllosen weiteren Städten und Distrikten des Landes und stürzen so die Nation in Chaos und Anarchie.

Aufstand der Selbstgerechten

Von Shanto Trdic

Sie feiern also eine Party; und scheren sich einen Dreck um irgendwelche (Hinter)Gründe. Es fällt schwer zu begreifen, dass es auch gar keine gibt. Weder erklärend noch entschuldigend. Je öfter sie bemüht werden, umso nachhaltiger werden sie durch die Taten derer, die es jetzt mal so richtig krachen lassen, ins Unrecht gesetzt.

Bezeichnend wie die deutsche Kommando-Presse einmal mehr Vorgänge dieser Art kommentiert. Von den Attacken derer, die nach Lust und Laune Recht und Gesetz brechen, ist gern zu Beginn oder scharf am Rande der ´Berichterstattung´ die Rede, als Einheizer sozusagen. Im Anschluss daran begründen die Meinungsmacher umso empathischer und empörter, warum es dazu kommen musste. Rechtfertigungen dieser Art eignet mitunter eine gewisse Nonchalance. Das gewaltsam herbeigeführte Ableben eines multikriminellen Intensivtäters, den die Medien hierzulande bereits duzen als sei er einer von ihnen gewesen, wird als ´Warm Up´ genutzt, um den kollektiven ´Unmut´ verständlich machen zu können. Der Tod von George, heißt es in der Online Ausgabe der Tagesschau, war nur der entscheidende Tropfen, der das Fass wieder einmal zum Überlaufen gebracht habe. Tatsächlich zeigten sich nun die Folgen eines umfassend grassierenden Rassismus, der auf Benachteiligung und Unterdrückung zielt, und natürlich, am Ende sämtlicher Irrwege, geht es vor allem um Donald Trump, denn wie einst alle Wege des Glaubens nach Rom führten, so führen die des Bösen zurück ins Weiße Haus, wo der fesch frisierte Emporkömmling schon die nächsten Schandtaten ausheckt. Und siehe da: Weiße Rassisten unterwandern bereits die wütenden, allzu verständlichen Proteste. Und nein: Das ist keine Verschwörungstheorie. Nur wenn sie von den andern käme, könnte sie eine sein. Das kennen wir schon.

Kaum einer kennt Andreas Ross, der als Autor der FAZ das große Ganze im Blick behält. Er beklagt in einem Haarsträubend einseitigen Artikel das ´amerikanische Grundübel´, meint damit aber nicht das Recht auf Anarchie, sondern mehr die gesellschaftlichen Missstände in einem Land, dessen Nation trotz Obama offenbar noch immer ´tief gespalten´ sei. Heilige Scheiße. Wer kann diesen unsäglichen Spruch, der als Parole bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufgebläht wird, überhaupt noch hören? Oder ernst nehmen? Immerhin, so heißt es in dem Bericht, wachse nun das Bewusstsein für Unrecht.

Man merkt´s. Solcherart ins Recht gesetzt, ist diesem Bewusstsein beinahe alles erlaubt. Überflüssiger Bedenken ledig, darf es voll durchstarten. Gilt auch für die publizistischen Brandraketen. All jene, die als vermeintlich vorurteilsfreie Beobachter die gröbsten Entgleisungen bis an den Rand des Erträglichen relativieren, indem sie deren schlimmste Auswüchse als Folge vermeintlicher Diskriminierung nunmehr heilig sprechen, stimmen das Hohelied der Befreiung an, wo sich in Wahrheit nur noch allerniederste Instinkte austoben. Schade um den friedlichen, den nur zu berechtigten Protest! Doch von keinem dieser Friedliebenden habe ich bislang ein einziges Wort des Bedauerns vernommen. Die notorisch Benachteiligten dieser Welt klagen lieber an und finden lauter wohlfeile Entschuldigungen dafür, dass nun die Hütte brennt. Eine Stadt erwacht, titelt trefflich die ZEIT, als ginge es nicht um Zerstörung und Rechtsbruch, eher um die kollektive Erleuchtung der Entrechteten und Beleidigten, um eine Art Auferstehung also, vom Allmächtigen höchstpersönlich angeordnet. Und während die ´Verzweiflung´ sich auch weiterhin in purer Gewalt austobt meldet der Münchener Merkur, dass Trump mit dem Militär drohe. Statt der Meute einen ´herrschaftsfreien Diskurs´ anzubieten? Na, der Typ erlaubt sich was…

Mag bald das ganze Land in Flammen stehen und dabei verlässlich zu Bruch gehen: Das alles geht, glaubt man den Journalisten, auf ´Proteste´ zurück. Mal sind sie heftig, dann wieder laufen sie aus dem Ruder, sie eskalieren und sie haben ein für alle Mal das gute Gewissen auf ihrer Seite. Es kommt halt darauf an, die begleitenden Ereignisse richtig einzuordnen. Dann dürfen rohe, Menschen gefährdende Rechtsbrüche als legitime Ausdrucksformen echten Widerstandes, als Barrikadenkämpfe der Gedemütigten immerhin ´verstanden´ werden. Erinnern sie sich bitte an ähnliche Vorfälle in den Pariser Vororten; den hauptsächlich von Muslimen bewohnten Banlieues. Die Anlässe oder Auslöser waren auch dort dieselben. Ein mehrfach vorbestrafter Jugendlicher, Mitglied irgendeiner Gang, kam im Zuge einer Polizeiaktion zu Tode und löste damit schwerste Krawalle aus, für die man in Deutschland umgehend das größte Verständnis aufbrachte, denn diese Leute hatten keine Perspektive, waren eben benachteiligt – hatten keine Chance. Was nicht weiter hinterfragt werden musste. Auch nicht der Vorwurf unverhältnismäßiger Polizeigewalt. Nun möchte ich mir gar nicht vorstellen, was es für stinknormale Polizeibeamte bedeuten mag, tagtäglich in diesen Milieus Dienst schieben zu müssen. In einer Szene, die der Anwendung körperlicher Gewalt notorisch und aus tiefster Überzeugung verhaftet bleibt (bereits die entsprechenden Aufnahme-Rituale lassen nichts zu wünschen übrig), sind grundsätzlich zu begrüßende Ansätze deeskalierender Maßnahmen schwerlich umzusetzen. Wenn hierzulande ständig davon die Rede ist, Recht und Ordnung zu stärken und entsprechend mehr Personal bereit stellen zu wollen, dann darf das offenbar im Ausland keine allzu große Rolle mehr spielen, da kommen dir die Deutschen gleich wieder mit der Moral, die sie für (schl)immer und ewig gepachtet haben.

Freilich tun sie`s auch und gerade daheim: im passenden Zusammenhang. Chemnitz und die Folgen. Nachdem ein junger Mann durch Messerstiche, die ihm jugendliche Muslime am Rande eines Stadtfestes verabreichten, zu Tode gekommen war, indem er elend verreckte, folgten Proteste, für die man aber von Anfang an kein Verständnis aufbringen wollte, es waren ja auch sofort die üblichen Verdächtigen zugegen, da scherte man sich gar nicht mehr um den lästigen Rest. Zwar hat es die behaupteten Ausschreitungen und Hetzjagden nie gegeben, von denen Wochenlang umso aufgebrachter die ständige Rede war. Im Traum wäre keiner auf die Idee gekommen, sie so zu kommentieren, wie man das im Falle Minneapolis nun ganz selbstverständlich tut. Denn wie die Dinge einzuordnen sind und wie man sie zu bewerten hat: entscheidet auch weiterhin das gute Gewissen. Sie wissen schon: das richtige. Merke: Verständnis verdient man sich auf spezielle Art und Weise, aber ohne eigenes Zutun, denn es wird verlässlich zugeordnet oder zuerkannt. Die begleitende Toleranz darf grenzenlos strapaziert oder unnachgiebig verweigert werden. Je nachdem.

So läuft das eben. Wer hier den ersten Stein hebt, wird umgehend vom Steinhagel der Elitezöglinge gerichtet und begraben. Unsere Volksvertreter*Innen sehen sich kaum der Verfassung, mehr fragwürdigen Weltbildern verpflichtet, deren Evangelien ständig als Allzweckwaffen eingesetzt werden. Die Hofschranzen sind damit beschäftigt, Fakten so lange zu beugen, bis sie dem Diktat der ´heiligen Schrift´ entsprechen. Wer die passende Gesinnung ´mitbringt´, bedarf auch keiner bloßen Gesittung mehr, die ohnehin nur dann zählt, wenn sie sich verlässlich in die verordneten Vereinbarungen fügt. Der resultierende Tugendterror ist kaum auszuhalten. Und er verdeckt vorsätzlich die wahren Probleme, deren Ursachen man am besten gar nicht mehr erwähnt.


Autor: Dr. Nathan Warszawsk
Bild Quelle: Wikimedia


Montag, 01 Juni 2020