5 Ralf Pöhling - 08.03.2021 - 16:03
@alex Der Trick beim Führen einer Schusswaffe ist der selbe, wie beim Führen eines Fahrzeugs: Es gilt nicht nur die Bedienung der Waffe blind zu beherrschen ohne(!) darüber bewusst nachdenken zu müssen, einfache Bedienung der Waffe und andauerndes Training sind hier das Mantra, man muss zudem auch die Umgebung permanent im Blick haben: Eine Schusswaffe wirkt, eben genau wie ein Auto, über ihre momentane Position in der Umgebung in einem speziellen Zeitrahmen hinaus. Auf der einen Seite als Blickfang bzw. als Fokus des potentiellen Interesses Dritter, wie auch in ihrer Wirkung, wenn sie benutzt wird. Wer eine Schusswaffe führt, der muss damit also genauso sorgsam umgehen, als wenn er sie im Anschlag halten würde.
Ist beim Auto ja nicht anders. Wenn ich das Auto parke, muss ich sicherstellen, dass dadurch niemand gefährdet wird und der Wagen auch nicht so einfach gestohlen werden kann. Kein normaler Mensch würde seinen Wagen mitten auf der Straße abstellen, den Zündschlüssel stecken und dann noch die Türen offen lassen und sich dann darüber wundern, dass die Karre geklaut oder abgeschleppt wird. Ist bei Waffen nicht anders. Wenn ich die Waffe so im Holster trage, dass sie mir jemand unbemerkt (oder zu spät bemerkt) aus dem Holster nehmen kann, habe ich was falsch gemacht. Bei Kurzwaffen ziehe ich z.B. Schulterholster dem Hüftholster in jedem Fall vor, da man die Waffe aus einem Schulterholster nur von vorne entwenden kann. Und das wird, weil die Augen meist nach vorne gerichtet sind, eben vom Waffenträger schneller bemerkt. Und die Arme sind dann auch noch schneller dazwischen, weil diese ebenso kaum nach hinten, aber nach vorne das Maximum an Beweglichkeit + Hebelkraft entwickeln. Bei MP oder Sturmgewehr, was beides meist mit Gurt getragen wird, sollte auch hier die Waffe nur dann geschultert und nicht vor der Brust getragen werden, wenn man sicher gehen kann, dass sich im direkten Umfeld niemand befindet, der einem das gute Stück entwenden möchte. Gilt für den direkten Einsatz natürlich erst recht: Wenn sich in meinem Umfeld eine außergewöhnliche Situation entwickelt, muss ich die Waffe nicht nur dem Zugriff durch Dritte entziehen, ich muss auch zusehen, dass ich selbst schnell darauf zugreifen kann falls es nötig wird. Da reicht theoretisch schon die Hand am Griff der Waffe, denn wenn ich die Schusshand bereits in Position habe, ergeben sich sämtliche Folgehandlungen zum in Anschlag bringen und entsichern aus der beim Training eingeübten Motorik. Man muss also nicht mehr darüber nachdenken, sondern kann instinktiv bzw. reflexartig handeln. Reflexe laufen quasi nur über das Rückenmark und sparen sich den mit Latenz behafteten Weg über den Denkapparat. Was eben um ein Vielfaches schneller geht und im Zweifelsfall das eigene Leben oder das von anderen retten kann. Wobei hier darauf zu achten ist, dass der Abzugsfinger erst dann an den Abzug gelegt wird, wenn der Schuss wirklich beabsichtigt ist. Der Denkapparat darf sich nur noch bewusst damit befassen müssen, ob geschossen werden muss oder nicht. Ein reflexartiges Durchdrücken des Abzugs muss also verhindert werden. Der Weg bis zum gewollten Schuss muss jedoch durch Training automatisiert sein. Beim Schuss selbst muss die Umgebung noch genauer mit einbezogen werden als nur beim Führen, denn selbst Kurzwaffenmunition hat eine enorme Gefahrenreichweite von mehreren Kilometern. Wenn ich das Ziel nicht treffe, erklärt sich dies von selbst, denn die Kugel fliegt bis sie irgendwo aufschlägt. Aber selbst dann, wenn ich das gewünschte Ziel treffe, muss ich die Durchschlagskraft einberechnen. Wenn ich einen bewaffneten Attentäter oder Geiselnehmer neutralisieren will, muss ich das Umfeld davor und auch dahinter im Blick haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kugel durchschlägt,liegt gerade bei militärischer Vollmantel- bzw. Hartkernmun bei nahezu 100%. Und alles was dahinter (oder davor) liegt, wird also ebenso getroffen. Gilt auch für Querschläger oder Abpraller: Wenn ich eine Betonwand treffe, fliegen mindestens Splitter, oftmals sogar das ganze (verformte) Geschoss in eine andere(!) Richtung weiter, als die, in die ursprünglich gezielt worden ist. Was wiederum dazu führen kann, dass Unbeteiligte getroffen werden. Nichtsdestotrotz ist der Vorlauf zu einer solchen Situation der entscheidende: Wer eine Waffe führt und zudem in exponierter Lage als Soldat oder Polizist unterwegs ist, muss alle seine Sinne permanent in Alarmbereitschaft haben. Eben weil er oder sie aufgrund seiner Funktion jederzeit ein potentielles Ziel für einen Angriff darstellt. Wenn man im Trupp unterwegs ist, kann man die Beobachtung der Umgebung situationsbedingt aufteilen. Wenn man alleine Unterwegs ist, müssen die Sinne permanent in jede Richtung aktiv sein. Also Augen und Ohren auf, ungewöhnliche Aktivitäten im Umfeld erkennen und dabei immer im Kopf eine Stoppuhr laufen lassen: Wenn sich jemand verdächtiges hinter mir bewegt, muss ich die Entfernung, die diese Person überbrücken muss, um sich mir zu nähern wenn mein Blick abgewandt ist, quasi im Kopf abzählen. Ich darf also nur so lange wegschauen, wie die Person geschätzt braucht, um direkt hinter mir zu einer Gefahr zu werden. Im Zweifelsfall hilft dabei auch das Gehör oder der Blick auf die Spiegelung in einer Scheibe oder Pfütze bzw. sogar ein echter Spiegel. Wie eben in einem Auto. Da hat man die Umgebung in alle Richtungen ja aus vergleichbarem Grund permanent im Blick.