Nach mehrmaligem Wiederholen des zu langen Refrains droht Ramadan – der von den monatlich 35.000 Euro aus Katar, dem Erbe seines Vaters (einem Mitgründer der Offshore-Bank Al Taqwa, die Zweigstellen in der Schweiz, in Liechtenstein und auf den Bahamas hat), seinen Professorenbezügen sowie seinen Buch- und Vortragshonoraren sicherlich immer recht ordentlich leben konnte – sich „selbst zu bedienen“:
„Ihr habt die Wahl, wir haben sie nicht. Entweder ihr teilt oder wir bedienen uns selbst. Steht nicht in euren schönen Abhandlungen geschrieben, dass der Arme und der Hungrige kein Dieb ist?“
Von „Hoffnung“, „Liebe“ und „Freiheit“ ist die Rede. Kann Ramadan noch jemanden täuschen? Die zu täuschen, die getäuscht werden wollen, darin war er zeitlebens ein Meister. Das Time Magazine nannte ihn im Jahr 2000 einen „von sieben Innovatoren des 21. Jahrhunderts“. Das kann man immer noch auf Ramadans Website nachlesen.
Zu Gast beim Papst
Papst Benedikt XVI. empfing Tariq Ramadan 2008 im Vatikan. Im französischen Fernsehen diskutierte Ramadan im selben Jahr mit dem französischen Ministerpräsidenten Nicolas Sarkozy. Dabei saß Sarkozy auf einem Stuhl im Studio, während das Gesicht des zugeschalteten Ramadan auf zwei – schätzungsweise jeweils acht Quadratmeter großen –Leinwänden erschien. Geradezu sinnbildlich.
Ramadans Genfer Doktorarbeit über seinen Onkel al-Banna – der Hitler verehrte und eine Gesellschaft mit strikter Geschlechtertrennung anstrebte – war nach Ansicht einiger Leute, die sie gelesen haben, eine reine Lobhudelei, die zudem al-Bannas Werk durch falsche Übersetzungen (etwa „Aktivist“ statt „Soldat“) für den europäischen Geschmack die Schärfe nahm.
Nachdem sie beim ersten Versuch abgelehnt wurde, habe Ramadan mithilfe des Soziologieprofessors Jean Ziegler „ein intensives Lobbying in Gang“ gesetzt, „um eine zweite Jury für die Beurteilung der Doktorarbeit zu finden, welche dieser wohlgesinnter war“, schreibt der Ramadan-Biograf Ian Hamel. Schließlich sei die Doktorarbeit Aux sources du renouveau musulman. D’Al-Afghani à Hassan Al-Banna, un siècle de réformisme islamique [„An der Quelle des muslimischen Frühlings. Von Al-Afghani bis Hassan Al-Banna, ein Jahrhundert des islamischen Reformismus“] „ganz knapp angenommen“ worden.
„Der Autor erhielt nicht einmal die Erwähnung ‚sehr ehrenhaft’. In der universitären Sprache bedeutete dies, dass die Türen der Fakultäten in der Schweiz für Tariq Ramadan geschlossen blieben“, so Hamel. Aber dank des Doktortitels habe Ramadan „die kleine Welt der (Moral-) Prediger zugunsten einer prestigeträchtigeren verlassen“ können, schreibt Hamel – „jener der Intellektuellen“.
An der von der Muslimbruderschaft durchdrungenen Universität Oxford wurde Ramadan Professor für Islamwissenschaft. Manchen galt er gar als Prophet – „Prophet der Mäßigung“, nannte ihn ein amerikanischer Journalist 2007. Aber gemäßigt war Ramadan nie.
Hamel schreibt in seinem Buch „Tariq Ramadan – histoire d’une imposture“ [„Tariq Ramadan – Geschichte einer Täuschung“]:
„Bereits 1994 erklärte Tariq Ramadan in der Genfer Tageszeitung Le Courrier, wie ein Ehemann seine Frau zu schlagen habe. Im selben Jahr behauptete er in seinem ersten Buch „Muslime im Säkularismus“, dass der ‚Biologieunterricht Lehren enthalten kann, die nicht den Prinzipien des Islam entsprechen. Gleiches gilt auch für Geschichts- oder Philosophieunterricht.’
Später, 1999, bezog sich Tariq Ramadan als europäischer Muslim auf seinen Großvater Hassan al-Banna und Sayyid Qutb, einen der Hauptinspiratoren von al-Qaida und dem IS. Jugendfehler? Im Jahr 2003 schlug Tariq Ramadan im Gespräch mit Nicolas Sarkozy ein ‚Moratorium’ für die Steinigung vor.“
Sarkozy nämlich sprach davon, dass Tariq Ramadans Bruder Hani Ramadan – von dem noch die Rede sein wird – in seinen Büchern die Steinigung von Ehebrechern befürwortet, und forderte Tariq Ramadan auf, sich davon zu distanzieren. Daraufhin kam Tariq Ramadan auf die Idee eines Steinigungsmoratoriums, was also bedeuten würde, die Praxis für eine gewisse Zeit ruhen zu lassen, um sie dann später wieder aufzunehmen.
Terroranschläge sind „Interventionen“
Gegenüber Terrorismus verfuhr Ramadan nach der Devise: Wenn es Terrorismus ist, sind die Täter sicherlich keine Muslime, und wenn die Täter nachweislich Muslime sind, kann es kein Terrorismus sein.
So verurteilte er in einem Gastbeitrag für Le Monde, der am 2. Oktober 2001 erschien, zwar die Terroranschläge vom Elften September, bezweifelte aber, dass Osama bin-Laden oder irgendein Muslim etwas damit zu tun habe. Man müsse fragen: „Wer wird davon profitieren?“. Ramadan beantwortete die selbstgestellte Frage so: „Keine islamische oder arabische Sache wird daraus irgendeinen Vorteil ziehen.“
Dafür aber sicherlich George Bush, der nun als „Held“ dastehe und die Welt hinter sich vereine, und Ariel Sharon, der „die Situation ausnutzt“ und „Terror in den palästinensischen Gebieten“ verbreite. Als Bin-Laden sich später zu den Anschlägen vom Elften September und zu einer Reihe weiterer Massaker bekannte, konnte selbst Ramadan dessen Verantwortung nicht mehr leugnen; er sprach aber nicht von Terrorismus, sondern von „Interventionen“ bzw. Operationen:
„Sie werden für die Interventionen in New York, Bali oder Madrid keine nennenswerte Unterstützung finden, weder in den französischen Vorstädten noch in muslimischen Ländern. Man darf nicht den Widerstand im Irak oder Palästina mit den Pro-Bin-Laden-Operationen verwechseln.“ (Le Point, 22.4.2004)
Wenn also das Blut von Israelis, Amerikanern oder Irakern vergossen wurde, war dies für Tariq Ramadan legitimer „Widerstand“.
Sympathien für Mörder
In seiner Doktorarbeit bezeichnete Ramadan den Mord an dem ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat – der Täter gehörte der Muslimbruderschaft an und hasste Sadat wegen dessen Friedenspolitik gegenüber Israel – als eine „Exekution“. Einer der Gutachter der Dissertation habe daran Anstoß genommen, schreibt die französische Feministin und Schriftstellerin Caroline Fourest in ihrem Buch „Brother Tariq. The Doublespeak of Tariq Ramadan“, „doch das Wort blieb unverändert“.
Der kaltblütige antisemitische Schlächter Mohamed Merah war für Ramadan ein „Opfer“. Nachdem Merah drei französische Soldaten, einen Rabbiner und drei jüdische Kinder ermordet hatte, schrieb Ramadan:
„Mohamed Merah erscheint als großer Jugendlicher, als hilfloses, verlorenes Kind, dessen Herz nach Meinung aller liebevoll ist, dessen Gedanken jedoch durcheinander, verstört und besonders inkohärent waren.“
Tariq Ramadan erklärte dann, dass „dieser arme Junge“ sicherlich „schuldig“ sei und „verurteilt werden“ müsse – fügte aber sofort hinzu: „Auch wenn er selbst das Opfer einer Gesellschaftsordnung war, die ihn, ihn und weitere Millionen, bereits zu Marginalität verurteilt hatte, um seinen Status als Bürger mit gleichen Rechten und Chancen nicht anzuerkennen.“
Im samstags hier erscheinen Teil 2 der Artikels geht es u.a. darum, wie Tariq Ramadan ein begehrter Partner der Linken werden konnte.
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